Zukünftiges Bauen verlangt Einklang von Mensch und Maschine

Stein (AG) / Laufenburg, 1. Juli 2015. Das Bauen wird in Zukunft digitaler, der Roboter ersetzt den Menschen aber nicht. Beste Ergebnisse entstehen dann, wenn Mensch und Maschine in Einklang arbeiten. Dies ist das Fazit einer Fachtagung über die Zukunft des Bauens, zu welcher der Holzbauspezialist ERNE internationale Experten aus dem Ingenieur-, Architektur und Bauwesen eingeladen hat. Den Abschluss bildete das Referat der österreichischen Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern, welche in einem Werkstattbericht den rund 200 Teilnehmenden einen Einblick in mögliche, zukünftige Wohnweisen gab. Versinnbildlicht wurde das neue Verhältnis von Mensch und Maschine durch das Zusammenspiel der Geigerin Kathrin Schmid mit dem Portalroboter. Die Vorführung verblüffte und zeigte, wie hochentwickelt die Robotertechnologie heute ist und wie gut das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine sein kann.

Dass ein mittelständisches Unternehmen wie ERNE AG Holzbau zu einer Fachtagung zu sich lädt, ist nicht selbstverständlich. „Mit dem Start der Produktion auf dem grössten europäischen Portalroboter betreten wir Neuland. Deshalb haben wir bewusst Architekten, Ingenieure und Bauunternehmen zu einer Fachtagung eingeladen, um gemeinsam über das zukünftige, digitale Bauen und seine Möglichkeiten zu diskutieren“, erklärt Klaus Obermeyer, CEO ERNE AG Holzbau.

Hochkarätige nationale und internationale Referenten
Entsprechend der Thematik hochkarätig war die Referentenliste: Matthias Kohler, ETH-Professor / Gramazio Kohler Research, und Andrea Bassetti von Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure, zeigten die Entwicklung der digitalen Fabrikation bis zum grössten Portalroboter in Europa, den ERNE im Juni offiziell in Betrieb genommen hat. Die Dachkonstruktion „Arch_Tec-Lab“ des ETH-Instituts für Technologie in der Architektur (ITA) diente dabei als Anschauungsobjekt. Die 45'000 Teile umfassende Konstruktion produziert ERNE auf dem neuen Portalroboter. Andrea Bassetti bestätigte am Anlass, dass die Montage der ersten Dachteile zu Beginn Juli startet.

Dass die neuen Produktionsformen auch die Architektur nachhaltig verändere, ist für ihn klar. „Das Digitale bringt eine neue Versinnlichung des Bauens. Mensch und Maschine treten in einen direkten Austausch. Der Mensch profitiert von neuen Möglichkeiten und Freiheiten in der Architektur“, davon ist Matthias Kohler überzeugt.

Die abschliessende Podiumsdiskussion unter der Leitung von Andrea Wiegelmann, Verlagsleiterin „Archithese“, mit allen Referierenden sowie Hermann Blumer, Ingenieur des neuen, von Architekt Shigeru Ban entworfenen Tamedia-Holzgebäudes in Zürich, vertiefte den Studiennachmittag bei ERNE AG Holzbau inhaltlich. Andrea Wiegelmann war es auch, welche durch die ganze Fachtagung führte.

Von Hermès zur Zukunftsforscherin
Dass ERNE hohe Massstäbe setzte, zeigte die Liste der Referenten aus dem Ausland. Der Pariser Architekt Denis Montel, RDAI Architecture, führte am Beispiel des neuen Flagshipstores von Hermès an der Rive Gauche, Paris, vor Augen, welche neuen Formen zukünftiges Bauen ermöglicht. Den Verkaufsraum spannte er in einem ehemaligen Art Déco-Hallenbad auf. Der Architekt setzte eine organische Architektursprache ein und bediente sich der Formen des Jurtenbaus. Diese individualisierten, im Holzleichtbau erstellten Jurten wurden erst mit digitalen Instrumenten möglich.

„Über gutes Bauen entscheidet nicht der "Internetanschluss des Kühlschranks“
Prof. Agnes Weilandt, Ingenieurin bei Bollinger + Grohmann Frankfurt, zeigte die Prozesse, welche dank der Digitalisierung die Ausführung in den Vordergrund stellen lassen, bevor eigentliche Entwürfe entstehen. Agnes Weilandt wurde dabei konkret: „Der klassische Planungsprozess löst sich mit der Digitalisierung auf.“ Dies habe viele Vorteile, eine klare Kommunikation zwischen den Beteiligten sei aber mehr denn je zu notwendig.

Die Wiener Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern schliesslich erschloss die Thematik des zukünftigen Bauens aus der Perspektive der Hausbewohner und deren Anforderung an zukünftiges Bauen. Ihr Auftritt war ein Werkstattbericht über modernes Bauen. Als Beispiel dienten ihr der eigene Hausbau und die Ansprüche, welche eine Zukunftsforscherin an ihren zukünftigen Lebens-, Arbeits- und Familienraum stellt. Ihr Fazit: „Smart Houses mögen trendy sein, aber gutes Bauen hat wenig damit zu tun, ob zum Beispiel der Kühlschrank einen Internetanschluss hat.“ Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass sich die Lebensformen in einer Generation schrittweise veränderten und damit auch immer wieder neue Bedürfnisse an das gebaute Haus entstünden.

Grenzen des Portalroboters längst nicht ausgelotet
Der Gastgeber steuerte mit den Auftritten der Geschäftsleitungsmitglieder Patrick Suter und Thomas Wehrle eigenes Fachwissen bei. Patrick Suter, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Modul-Technologie, skizzierte die Entwicklung des 1906 gegründeten Unternehmens. Er betonte: „Für das Handwerk des Holzbaus schaffen die neuen Technologien grosse Chancen. Insbesondere auch für junge Berufsleute, welche sich zum Beispiel am ERNE Portalroboter plötzlich in neuen erweiterten Berufsfeldern vorfinden.“

Thomas Wehrle, Leiter Spezialbau, wagte einen Ausblick, welche neuen Entwicklungen der ERNE Portalroboter den Weg ebnen kann. Er machte dabei Vergleiche mit der Automobilproduktion, welche seit Jahren dank der Robotertechnik wesentlich Qualitäts- und Produktivitätsfortschritte erzielt hat. „Heute schon sehen wir, dass unser Portalroboter mehr können wird, als wir erwartet haben. Seine Grenzen haben wir längst noch nicht ausgelotet. Dies werden unsere Kunden tun, wenn sie mit uns an neuen Lösungen arbeiten“, erklärte Thomas Wehrle. Der Portalroboter, so Wehrle, ermögliche, die Vorzüge der Serienproduktion mit nur einem oder sehr wenigen identischen Werkstücken zu nutzen.